Ein Gedankenspiel:
Eine junge Frau. 22 Jahre alt. Sie hat gerade ihre Gesellenprüfung bestanden. Dreieinhalb Jahre Ausbildung in der Zahntechnik liegen hinter ihr. Sie hat gelernt, mit Verantwortung umzugehen. Sie hat sich fachlich entwickelt, hat handwerkliches Geschick gezeigt, digitale Prozesse verstanden, Teamarbeit gelebt. Alles, was man erwarten kann – oder mehr.
Dann liegt der erste Arbeitsvertrag auf dem Tisch. 13,20 Euro brutto die Stunde.
Was macht das mit einem Menschen, der bereit ist, sich einzubringen? Was macht das mit einer Branche, die auf Nachwuchs angewiesen ist?
Wertschätzung ist mehr als ein Gefühl. Sie ist der Lackmustest für Zukunft.
In meinem Beitrag „Zwischen Wertschätzung und Wertschöpfung“ auf ZWP Online analysiere ich diesen Widerspruch. Und er betrifft nicht nur junge Berufsanfängerinnen und -anfänger. Er zieht sich durch alle Ebenen der Dentalbranche: vom Ausbildungsplatz bis zur Fachkraft mit Erfahrung.
Was viele nicht offen sagen: Es geht längst nicht mehr nur um Motivation. Es geht um Würde. Um Augenhöhe. Um Respekt. Und ja, um Geld.
Ein paar unbequeme Zahlen:
- 24 Prozent der Zahntechnik-Auszubildenden planen, nach der Ausbildung den Beruf zu verlassen.
- Die Zahntechnik liegt bei den Ausbildungsvergütungen im untersten Bereich.
- Viele starten nach dreieinhalb Jahren Ausbildung mit einem Gehalt knapp über Mindestlohn.
Das ist kein tragbarer Zustand. Und er wird uns früher oder später um die Ohren fliegen, wenn wir nicht handeln.
Was müsste passieren?
- Wir brauchen keine neuen Werbeslogans. Wir brauchen verlässliche Strukturen.
- Eine transparente, nachvollziehbare Bezahlung, die sich am tatsächlichen Wert der Arbeit orientiert.
- Mehr Differenzierung in der Vergütung – Erfahrung, Verantwortung und Spezialisierung müssen sich abbilden.
- Eine Kultur der offenen Kommunikation, in der auch unbequeme Fragen gestellt und beantwortet werden dürfen.
Vor allem aber brauchen wir eine klare Haltung: Ausbildung ist kein lästiger Kostenfaktor. Sie ist Zukunftssicherung.
Die Frage ist nicht mehr, ob wir handeln müssen. Die Frage ist, ob wir den Mut dazu haben.
Dazu gehört auch, sich für faire Standards stark zu machen. Die Forderung nach einem Branchenmindestlohn von 17,50 Euro ist kein überzogener Wunsch – sie ist eine Notwendigkeit. Wer das genauso sieht, findet hier die Petition zur Unterstützung.
Was heißt das nun konkret für dich?
Wenn du Verantwortung trägst – als Ausbilder, als Betriebsleitung, als schulische Fachkraft oder Entscheidungsträgerin in der Kammer – dann stell dir eine einfache Frage:
Was hältst du davon ab, heute die Bedingungen zu schaffen, unter denen du selbst gern arbeiten würdest?
Wertschöpfung ohne Wertschätzung funktioniert nicht.
Nicht langfristig. Nicht glaubwürdig. Und ganz sicher nicht menschlich.
Jetzt ist die Zeit, das zu ändern.
Foto: ZWP Online